Vom Bewahren zum Verändern: Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst gestaltet die Transformation

Wie viel CO₂ verbraucht eigentlich ein Museum? Diese Frage mag zunächst überraschend wirken, ist aber hochaktuell. Denn Museen gehören zu den größten Energieverbrauchern unter den Kultureinrichtungen und hinterlassen einen deutlich höheren ökologischen Fußabdruck, als viele vermuten würden (Quelle: Deutscher Museumsbund e. V.). Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München geht hier neue Wege und zeigt, dass Nachhaltigkeit und Kulturbetrieb sich nicht ausschließen. Seit 2021 arbeiten Direktor Dr. Arnulf Schlüter und der externe Pressebeauftragte sowie zertifizierte green consultant Dr. Carsten Gerhard daran, ökologische Nachhaltigkeit konsequent im Museumsalltag zu verankern, ohne die wertvollen Sammlungen zu gefährden.

Wie gelingt der Spagat zwischen höchsten konservatorischen Anforderungen und den Zielen des Klimaschutzes? Welche Rolle spielen dabei politische Rahmenbedingungen, interne Analysen und die baulichen Besonderheiten des Museums? Antworten auf diese Fragen geben Dr. Schlüter und Dr. Gerhard im Interview – und machen deutlich: Kultur kann und muss Teil der nachhaltigen Transformation sein.

„Wir haben schnell gelernt, dass es ein langfristiger Prozess ist, Prinzipien ökologischer Nachhaltigkeit in den Museumsbetrieb zu integrieren, Rückschläge eingeschlossen.“

Dr. Arnulf Schlüter, Direktor des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst

Aufnahmen im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, Bildnachweis: SMÄK, Claus Rammel

Was war der Auslöser für den Entschluss, den Museumsbetrieb systematisch auf ökologische Nachhaltigkeit auszurichten und wie wurde der Prozess intern angestoßen?

Dr. Arnulf Schlüter (AS): Der Impuls kam aus dem Bewusstsein heraus, dass auch Museen erhebliche Umweltwirkungen verursachen. Dazu zählen insbesondere ein hoher Energieverbrauch, Emissionen durch Mobilität und ein umfassender Ressourcenverbrauch. Politische Vorgaben wie der EU-Green-Deal mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050, das deutsche Klimaschutzgesetz mit dem Zieljahr 2045 sowie die Zielsetzung des Freistaats Bayern für das Jahr 2040 haben diesen Reflexionsprozess zusätzlich bestärkt.

Dr. Carsten Gerhard (CG): Wir haben den Prozess schließlich durch eine formalisierte Umweltpolitik in Gang gesetzt, die die grundlegenden Ziele und Prinzipien des Umweltmanagements des Museums festlegt. Sie verpflichtet das Museum, seine Umweltleistung kontinuierlich zu verbessern, alle relevanten Umweltvorschriften einzuhalten und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu wahren.

Wie lief das „Green Screening“ konkret ab und welche überraschenden Erkenntnisse oder Herausforderungen haben sich dabei ergeben?

CG: Wir haben mit unserem green consultant im Herbst 2021 ein „Green Screening“ durchgeführt. Dabei wurden alle Räume des Museums hinsichtlich Emissionen, Energieverbrauch, Müllaufkommen, Einsatz von Umweltgiften und Ressourcennutzung analysiert.

Welche drei Maßnahmen haben sich bisher als besonders wirkungsvoll oder unkompliziert in der Umsetzung erwiesen?

AS: Als besonders wirksam und vergleichsweise leicht umsetzbar erwies sich zunächst die Nachtabschaltung der Lüftungs- und Klimaanlagen. Diese Maßnahme führte zu einer erheblichen Reduktion des Strom- und Wärmeverbrauchs während der Nachtstunden und spart jährlich viele Tonnen CO₂ ein. Zweitens hat sich die nahezu abgeschlossene Umstellung auf LED-Beleuchtung als effektiv erwiesen, um den Stromverbrauch dauerhaft zu senken. Drittens konnte durch eine ökologische Umstellung der Beschaffung von Druckerzeugnissen – beispielsweise durch den Einsatz von Recyclingpapier und die Beauftragung umweltzertifizierter Druckereien – ein Beitrag zur Senkung der Scope-3-Emissionen geleistet werden.

Welche besonderen Anforderungen stellt die ägyptische Sammlung an Klima, Licht und Erhaltung – und wie lassen sich diese mit nachhaltigem Handeln vereinen?

AS: Unsere Sammlung erfordert konstante Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswerte sowie eine zurückhaltende Beleuchtung, um empfindliche Objekte langfristig zu erhalten. Die besondere Architektur des Hauses – insbesondere die unterirdische Lage – gewährleistet eine hohe natürliche Klimastabilität. Diese ermöglicht es, Maßnahmen wie die Nachtabschaltung der Klimaanlage umzusetzen, ohne konservatorische Risiken einzugehen. Zusätzlich wird in den Ausstellungsräumen auf gezielte Lichtführung und energieeffiziente Leuchtmittel gesetzt.

Wie binden Sie Mitarbeitende, Dienstleistende und Publikum aktiv in die Nachhaltigkeitsstrategie ein?

AS: Die Mitarbeitenden werden geschult, etwa zur Vermeidung von Stand-by-Verbrauch oder zur umweltfreundlichen Beschaffung. Für alle Gewerke entwickeln wir gerade verbindliche Handlungsanweisungen und Entscheidungsgrundlagen. Auch Dienstleistende wie Druckereien und Caterer werden durch ökologische Standards eingebunden.

CG: Mit zentralen Partnern wie dem Ausstellungsbüro haben wir gemeinsam Nachhaltigkeitskriterien erarbeitet. Wir informieren unser Publikum digital über unsere Nachhaltigkeitsstrategie und motivieren sie zur Nutzung emissionsarmer Anreisemöglichkeiten wie ÖPNV oder Fahrrad.

Die Ausstellungsräume liegen komplett unterirdisch. Welche Rolle spielt diese besondere Architektur für Ihre Nachhaltigkeitsstrategie?

AS: Die unterirdische Lage der Ausstellungsräume hat sich als großer Vorteil erwiesen. Sie sorgt für eine hohe klimatische Trägheit, was bedeutet, dass Temperatur- und Feuchtigkeitswerte ohne aktive Klimatisierung nur sehr langsam schwanken. Diese Eigenschaft war eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung der Nachtabschaltung der Lüftungs- und Klimaanlage.

Wie spiegelt die Architektur des SMÄK Prinzipien des zirkulären Bauens wider und welche Impulse kann dieser Bau für die Verbindung von Baukunst und Nachhaltigkeit geben?

AS: Beim Bau des Museumsgebäudes standen Prinzipien des zirkulären Bauens noch nicht im Vordergrund. Dennoch zeigt die heutige Nutzung, dass vorhandene architektonische Potenziale – wie die unterirdische Lage zur passiven Klimaregulierung – nachhaltig genutzt werden können. Gleichzeitig ist zu beachten, dass der Bau durch Materialien wie Glas, Stahl und Beton einen hohen ökologischen Fußabdruck mit sich bringt.

In welchen Bereichen des Museumsbetriebs sehen Sie aktuell das größte Einsparpotenzial und welche konkreten Schritte planen Sie als Nächstes?

CG: Das derzeit größte Einsparpotenzial besteht in der weiteren Optimierung der Klimasteuerung. Zu den nächsten konkreten Schritten gehört die Verhandlung mit unseren Stakeholdern, dass künftig 100 % Biogas eingekauft wird (das Museum befindet sich hier in einem Einkaufsverbund, den es nicht eigenständig steuern kann) sowie der verstärkte Fokus auf dem zirkulären Einsatz von Materialien bei der Gestaltung zukünftiger Ausstellungen. Außerdem prüfen wir gerade den Aufbau einer eigenen PV-Anlage auf dem Verwaltungsdach des Museums.

Wie gehen Sie mit CO₂-Emissionen und Kompensation um – insbesondere bei Transport, Dienstreisen und schwer vermeidbaren Bereichen?

AS: Der Umgang mit Kompensation wird im Museum differenziert betrachtet. Grundsätzlich steht die Vermeidung von Emissionen im Vordergrund. Wo dies nicht möglich ist – etwa beim Transport von Kunstwerken – wird derzeit geprüft, ob eine Kompensation durch zertifizierte und nachhaltige Projekte in Frage kommt und mit den Haushaltsvorgaben vereinbar ist. Bei Dienstreisen gilt: Wenn das Reiseziel mit dem Zug in unter fünf Stunden erreichbar ist, darf nicht geflogen werden. Zudem sollen bei der Anmietung von Fahrzeugen bevorzugt Elektrofahrzeuge zum Einsatz kommen.

Welche Lessons Learned würden Sie anderen Kultureinrichtungen mitgeben, die nachhaltiger werden wollen, insbesondere in der Startphase?

CG: Ein zentraler Erfolgsfaktor ist ein klares Bekenntnis der Leitung zur ökologischen Transformation. Ohne diese Rückendeckung ist ein kultureller Wandel schwer umsetzbar. In der Startphase ist es wichtig, eine belastbare Datengrundlage zu schaffen, etwa durch ein „Green Screening“ und eine erste Treibhausgasbilanz. Dann sollte man Maßnahmen mit Zeitvorgaben und Zuständigkeiten definieren. Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen in unserem Umweltteam zu einem Jour Fixe, um die Maßnahmen zu evaluieren und fortzuschreiben.

AS: Sichtbare und nachvollziehbare Erfolge wie die Einführung der Nachtabschaltung können intern motivieren und zeigen nach außen, dass Veränderungen möglich sind. Zugleich möchte ich betonen, dass wir uns zwar auf den Weg gemacht haben und uns durch eine Umweltpolitik und einen Maßnahmenplan eine Systematik gegeben hat – uns aber in vielen Bereichen noch am Anfang des Prozesses befinden. Wir haben schnell gelernt, dass es ein langfristiger Prozess ist, Prinzipien ökologischer Nachhaltigkeit in den Museumsbetrieb zu integrieren, Rückschläge eingeschlossen.