Das Theater Regensburg hat sich zu einem Good Practice-Beispiel für Nachhaltigkeit im Kulturbereich entwickelt. Mit der Erstellung der ersten Klimabilanz in der Spielzeit 2021/2022 legte das Mehrspartenhaus den Grundstein für eine nachhaltige Transformation. Diese Bilanz, die zentrale Handlungsfelder wie Energie und Mobilität identifizierte, ermöglichte es, vom „Wissen ins Handeln“ zu kommen. Heute ist Nachhaltigkeit nicht nur ein Leitprinzip, sondern ein wesentliches Organisationsziel des Theaters.
Mit Projekten wie dem klimaneutralen Stadtraumprojekt WAHRHEITEN und der KLIMAKAUTION oder dem Umweltkonzert SUSTAINABLE LISTENING zeigt das Theater, wie sich Kunst und Klimaschutz auf kreative und wirkungsvolle Weise verbinden lassen. Das nachhaltige Engagement des Hauses wird inzwischen deutschlandweit wahrgenommen: Neben mehrfacher Auszeichnung beim Umweltpreis der Stadt Regensburg wurde das Theater unter anderem mit dem OPER!AWARD für die beste Nachhaltigkeitsinitiative ausgezeichnet und schaffte es auf die Shortlist des „WIRKMÄCHTIG Culture4Climate Preis“.
Im Interview erzählt Johanna Loher, Klimaagentin und Projektleitung WAHRHEITEN, davon, wie das Theater Regensburg Nachhaltigkeit konsequent in seine Strukturen integriert hat, und welche Herausforderungen dabei gemeistert wurden. Sie spricht auch über die Rolle von Förderungen und gibt einen Einblick in die nachhaltigen Visionen des Theater Regensburg.

„Wir haben in der Spielzeit 2021/2022 die erste Klimabilanz für das Theater Regensburg erstellt. Die Ergebnisse haben dafür gesorgt, dass wir vom ,Wissen ins Handeln‘ gekommen sind. Mittlerweile ist Nachhaltigkeit wesentliches Organisationsziel.“
Johanna Loher, Klimaagentin und Projektleitung WAHRHEITEN, Theater Regensburg

Hallo Johanna, als Klimaagentin und Projektleiterin von WAHRHEITEN hast du dazu beigetragen, Nachhaltigkeit als Organisationsziel im Theater Regensburg zu etablieren. Welche zentralen Herausforderungen sind euch bei der Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen und Strategien begegnet?
Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich die Verfügbarkeit von Ressourcen, also Zeit und Geld. Wir haben Glück, dass hier am Theater Regensburg meine Position als Vorstandsassistenz geschaffen wurde, in deren Stellenprofil auch anteilsmäßig die Nachhaltigkeit enthalten ist. Das ist in vielen anderen Theatern und Kultureinrichtungen nicht der Fall. Dennoch ist der Theaterbetrieb sehr dicht getaktet, und zusätzliche Aufgaben wie die Integration von Nachhaltigkeitsmaßnahmen fordern zusätzliche Kapazitäten im gesamten Haus.
Hinzu kommt die Herausforderung, Kunstfreiheit und Nachhaltigkeit zu vereinen. Im Verwaltungsbetrieb können nachhaltige Konzepte schneller umgesetzt werden. Künstlerische Visionen aber erfordern manchmal Dinge, die nicht nachhaltig sind – etwa die kontinuierliche Entwicklung und Austausch von Bühnenbildern oder bestimmte Materialanschaffungen und -Einsätze, die sich nicht vermeiden lassen. Hier gilt es, Kompromisse zu finden, die beidem gerecht werden.
Wie wird die CO2-Bilanz des Theaters gemessen, und welche Kennzahlen sind besonders relevant für die Bewertung der Fortschritte?
Wir haben inzwischen zwei Klimabilanzen für das Theater Regensburg erstellt. Die erste basiert auf Daten aus der Spielzeit 2018/19 und wurde in der Spielzeit 2021/22 veröffentlicht. Die zweite entstand im Rahmen des Projekts WAHRHEITEN und der Fonds Zer0-Förderung mit Daten aus dem Jahr 2021.
Eine Klimabilanz gliedert sich in verschiedene Bereiche: Die sogenannten Scopes 1 und 2 decken verpflichtend Energieverbrauch wie Strom, Heizung, Kältemittel ab. Scope 3 ist flexibler und umfasst Bereiche, die wir je nach Wesentlichkeit selbst festlegen können, zum Beispiel Mobilität, Abfall oder Beschaffungen. Bei uns sind Energieverbrauch und Mobilität – insbesondere die der Besucherinnen und Besucher – die größten Faktoren. Das zeigt deutlich, wo wir ansetzen müssen. Im Bereich Energie, hauptsächlich bei Strom und Wärmeverbrauch, kann man sehr viel bewirken. Die Publikumsmobilität hingegen können wir nicht direkt beeinflussen. Aber auch da gibt es Möglichkeiten, Anreize zu schaffen. Für unsere Mitarbeitenden bieten wir beispielsweise ein zinsloses Darlehen für den Kauf eines Fahrrads an oder Zuschüsse zum Deutschlandticket.
Welche konkreten Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs haben sich im Theaterbetrieb als am wirkungsvollsten erwiesen?
Es gibt viele kleine und große Maßnahmen. Einer unserer ersten Schritte war eine Bestandsaufnahme: Wir haben alle Geräte im Haus erfasst – von den Waschmaschinen in der Kostümabteilung bis zu den Kühlschränken, die gefühlt in jeder Abteilung stehen, – und überprüft, welche davon ersetzt, abgeschaltet oder optimiert werden können. Wir kamen auf bis zu 40 Geräte. Teilweise waren diese über 20 Jahre alt, und der Austausch durch energieeffizientere Modelle brachte schnell Erfolge. Andere Geräte wurden komplett abgeschaltet.
Hinsichtlich des Energieverbrauchs führten wir ein umfassendes Tracking-System ein. Dadurch haben wir die Möglichkeit, unsere Stromverbräuche für die verschiedenen Liegenschaften relativ genau nachzuvollziehen. Für die großen Liegenschaften erfolgt dies monatlich, für das Haupthaus sogar täglich. Das hilft uns, gezielt Maßnahmen zu ergreifen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Umstellung auf LED-Beleuchtung: Das Theater am Bismarckplatz ist ein denkmalgeschütztes Gebäude, was die Umstellung beispielsweise im historischen Neuhaussaal erschwert hat. Außerdem gehört das Theater nicht uns, sondern wir sind Mieter der Stadt Regensburg. Die Kosten für die Umrüstung der Saal- und Orchesterbeleuchtung im Neuhaussaal beispielsweise haben wir, mit Hilfe einer Förderung des Kulturfonds Bayern, selbst übernommen, da sich die Investition auf Grund hoher Stromkosten schnell amortisiert. Die kontinuierliche Umstellung auf LED senkt den Energieverbrauch erheblich, reduziert Emissionen und erweist sich trotz hoher Kosten als langfristig wirtschaftlich und umweltfreundlich.
Seit etwa zwei Jahren kooperieren wir außerdem mit der Energieagentur Regensburg. Gemeinsam haben wir eine Begehung unserer Gebäude durchgeführt, um energetische Schwachstellen zu identifizieren. Ein besonders großer Schwachpunkt war das alte Anliefertor im Haupthaus. Die Energieagentur hat uns die energetischen Probleme aufgezeigt, die durch die schlechte Abdichtung entstehen. Dank ihrer Expertise konnten wir die Notwendigkeit einer Erneuerung auch gegenüber der Stadt begründen. Das Tor wird nun ausgetauscht.
Beim Thema Wärme wäre ein Verzicht auf Gasheizungen wünschenswert, doch die Gebäudestruktur des denkmalgeschützten Altbaus macht dies schwer umsetzbar. Trotzdem haben wir kleinere Verbesserungen vorgenommen. In den Büros gibt es programmierbare Heizungen, die nur während der Kernarbeitszeiten laufen. In anderen Liegenschaften wie den Probebühnen haben wir Smart-Home-Geräte an den Heizungen installiert. Dadurch können wir diese aus der Ferne steuern, je nachdem, ob die Räume genutzt werden oder nicht.
Im Zuge der Energiekrise vor zwei Jahren wurde von staatlicher Seite vorgeschrieben, die Temperaturen in öffentlichen Gebäuden zu senken. In den Büroräumen durften wir nur noch bis maximal 19 Grad Celsius heizen, in den Werkstätten gerade einmal 16 Grad Celsius , was wirklich kalt war. Natürlich ist das keine dauerhafte Lösung, aber die Einsparungen waren deutlich bemerkbar und haben gezeigt, wie viel Potenzial in solchen Maßnahmen steckt, auch wenn sie nicht langfristig umsetzbar sind. Wir haben uns daher auf ein mittleres Temperaturniveau geeinigt und regeln bei Bedarf nach.
Zusammenfassend haben wir durch diese Maßnahmen – von der Umrüstung auf LED über die energetischen Sanierungen bis hin zur Heizungssteuerung – erhebliche Einsparungen erzielt und sind auf einem guten Weg, unseren Energieverbrauch weiter zu optimieren.
Gibt es noch weitere Maßnahmen, die das Theater Regensburg im Bereich Energie unternommen hat?
Eine wesentliche Maßnahme, die wir vor etwa drei Jahren umgesetzt haben, war die vollständige Umstellung auf Ökostrom in allen unseren Liegenschaften. Diese Entscheidung war nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch vergleichsweise einfach umzusetzen. Heutzutage bieten viele örtliche Energieanbieter ohnehin ausschließlich Ökostrom an, sodass es mittlerweile fast selbstverständlich geworden ist, diesen Schritt zu gehen. Dennoch ist es ein Aspekt, der einen erheblichen Unterschied machen kann und der unbedingt in Betracht gezogen werden sollte.
Was sind die nächsten Schritte, um nachhaltiges Handeln des Theaters weiter voranzutreiben und langfristig zu etablieren?
Ein großes Projekt ist eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Auch diese haben wir zunächst zusammen mit der Energieagentur geplant. Die tatsächliche Umsetzung erfolgt mit Hilfe eines externen Fachplaners. Der Autarkiegrad wird allerdings maximal bei etwa 20 Prozent liegen, da wir aufgrund von Denkmalschutzauflagen nicht alle Dachflächen belegen dürfen. Dank gelockerter Vorschriften und eines guten Austauschs mit der Denkmalschutzbehörde haben wir Möglichkeiten gefunden, die umsetzbar sind. Die Installation der Anlage wird ein großer Schritt in Richtung nachhaltiger Energieversorgung sein.
Wie sieht eure langfristige Vision für ein nachhaltiges Theater Regensburg aus?
Wir wollen nicht aufhören und immer weiter an Verbesserungen arbeiten. Es gibt noch so viele Dinge, die wir nicht angegangen oder umgesetzt haben.
Im Energiebereich stößt man irgendwann an Grenzen, weil man nicht unendlich umrüsten kann. Aber es gibt zahlreiche andere Bereiche, in denen wir in Zukunft aktiv werden können. Zum Beispiel beim Thema Beschaffung. Hier ist im nächsten Schritt geplant eine eigene Beschaffungsrichtlinie für unser Haus zu erstellen.
Langfristig möchten wir ein System etablieren, mit dem wir unsere Fortschritte regelmäßig überprüfen können, beispielsweise durch den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) oder EMAS. Dabei wollen wir nicht nur die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit im Blick haben, sondern uns auch stärker auf soziale Nachhaltigkeit fokussieren.
Was sind eure Ziele im Bereich soziale Nachhaltigkeit?
Dieser Aspekt ist besonders in Kulturbetrieben oft schwierig, weil die Arbeitszeiten unflexibel sind. Wochenenden, Feiertage oder Abendveranstaltungen sind fester Bestandteil des Betriebs. Trotzdem gibt es auch hier Verbesserungsmöglichkeiten, wie langfristigere Probenplanung oder freie Tage als Ausgleich oder ein im Betrieb verankertes Gesundheitsmanagement. Unser Ziel ist es, Maßnahmen zu entwickeln, kreativ zu bleiben und alle drei Säulen der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial – gleichermaßen zu berücksichtigen.
Welche Rolle spielt die staatliche Unterstützung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit?
Aktuell sind wir noch ein Stadttheater und werden von der Stadt Regensburg gefördert, mit Unterstützung vom Staat. Im Laufe der Spielzeit 2025/26 werden wir zum Staatstheater erhoben, was bedeutet, dass die Finanzierung zur Hälfte von der Stadt und zur Hälfte vom Staat getragen wird.
Aus diesen Mitteln werden auch Investitionen, wie etwa die PV-Anlage finanziert. Diese amortisiert sich langfristig allerdings wieder, auch wenn zunächst ein größerer Betrag investiert werden muss. Je nach Variante rechnet sich die Anlage in etwa fünf bis zehn Jahren, was angesichts der hohen Strompreise eine sinnvolle Investition ist. Eine unserer bevorzugten Varianten sieht die Nutzung von roten Solarziegeln vor, die allerdings erst vom Denkmalschutz genehmigt werden müssen. Wirtschaftlich betrachtet wäre diese Lösung besonders effizient und würde sich innerhalb von sechs Jahren refinanzieren.
Wie werden die Ergebnisse der Klimabilanz und der damit verbundenen Maßnahmen kommuniziert, sowohl intern im Theater als auch extern an die Öffentlichkeit?
Für die externe Kommunikation nutzen wir vor allem unsere Website. Dort findet sich eine Infoseite zum Thema Nachhaltigkeit. Auch in unserem Online-Magazin, einem Blog, gibt es Artikel zu Nachhaltigkeit und den bereits umgesetzten Maßnahmen. Außerdem informieren wir bei künstlerischen Projekten im Rahmen von Newslettern und gezielten Kampagnen.
Um unsere Mitarbeitenden stärker in Nachhaltigkeitsmaßnahmen einzubeziehen, haben wir zu Beginn Workshops angeboten, die freiwillig besucht werden konnten. Zudem haben wir versucht, regelmäßig Town-Hall-Meetings zum Thema Nachhaltigkeit einzuführen, bei denen Mitarbeitende alle zwei bis drei Monate Fragen stellen und Vorschläge einbringen konnten. Leider wurde das nicht so gut angenommen, weshalb wir diese „Sprechstunde“ nun weniger regelmäßig durchführen. Stattdessen haben wir eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, um die Möglichkeit zu bieten darüber uns Vorschläge, Anregungen und Ideen zu übermitteln. Seit ein paar Jahren gibt es ein Haustelegramm, das die Mitarbeitenden über alle relevanten Themen, beispielsweise auch zur Nachhaltigkeit, informiert. Neben halbjährlichen Personalversammlungen, die ein Forum für verschiedenste Themen bieten, gibt es auch einmal pro Woche eine Leitungsrunde, in der die Abteilungsleitungen über aktuelle Projekte, informiert werden.
Das Stadtraumprojekt WAHRHEITEN hat es auf die Shortlist des WIRKMÄCHTIG Culture4Climate Preises geschafft. Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung! Was bedeutet diese Nominierung für das Team des Theaters Regensburg?
Vielen Dank! Die Nominierung bedeutet uns sehr viel! Es aus knapp 100 Bewerbungen anderer Institutionen auf die Shortlist zu schaffen, zeigt uns, dass unsere Arbeit wahrgenommen wird und wir auf dem richtigen Weg sind. Bei der Culture4Climate-Konferenz in Hamburg, wo die Preisverleihung stattfand, gab es viel Interesse an unseren Maßnahmen. Unsere Aktivitäten konnte ich dort bei der Podiumsdiskussion vorstellen und wurde auch im Nachgang mehrfach kontaktiert und dazu befragt, wie wir bestimmte Dinge umgesetzt haben. Das motiviert uns, weiterzumachen und kreativ zu bleiben.



Das Projekt WAHRHEITEN wurde durch den Fonds Zer0 der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Wie wichtig war diese Unterstützung für den Erfolg von WAHRHEITEN und welche Erkenntnisse habt ihr daraus gewonnen?
Die Förderung war essenziell. Nicht nur finanziell, sondern auch, weil sie uns ins Handeln brachte. Ohne diese Unterstützung hätten wir uns vermutlich nicht getraut, ein derartiges Experiment zu wagen. Natürlich funktionierte nicht alles reibungslos, aber das war auch nicht das Ziel. Es ging darum, neue Wege zu testen und Erfahrungen zu sammeln.
Die wichtigste Erkenntnis war: Man muss einfach anfangen und Dinge ausprobieren, auch wenn Unsicherheiten bestehen. Viele Maßnahmen ließen sich schneller und einfacher umsetzen, als wir anfangs dachten. Natürlich braucht man dazu auch die erforderlichen finanziellen Mittel. Aber es gibt auch Dinge, die man ohne große Kosten umsetzen kann: Zum Beispiel haben wir für die Ausstattung größtenteils unsere Fundi genutzt – das war nicht nur nachhaltig, sondern führte auch zu kreativen Ergebnissen.
Was hat euch dazu inspiriert, WAHRHEITEN klimaneutral zu gestalten?
Die Motivation, WAHRHEITEN klimaneutral umzusetzen, entstand vor allem durch die Vorgabe der Bundeskulturstiftung, innovative Lösungen zu finden und das Projekt nach dem Prinzip „vermeiden, reduzieren, kompensieren“ klimaneutral zu realisieren.
Ursprünglich war WAHRHEITEN als normale Produktion ohne den Fokus auf die Nachhaltigkeit zum Ende der Spielzeit der ersten Intendanz von Sebastian Ritschel geplant, unabhängig von der Förderung. Als sich jedoch die Möglichkeit für die Förderung ergab, war es für uns eine gute Gelegenheit, ein innovatives Projekt wie dieses klimaneutral umzusetzen. Wir beschlossen, es einfach auszuprobieren, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrung mit klimaneutralen Produktionen hatten.
Natürlich mussten wir im Rahmen des Förderantrags konkrete Maßnahmen festlegen. Die Ideen waren theoretisch und teilweise fiktiv, aber wir haben uns dennoch auf das Experiment eingelassen. Es war ein Glücksmoment, als wir die Zusage für die Förderung erhalten haben. Gleichzeitig bekamen wir aber auch „kalte Füße“, da wir nun die Verantwortung hatten sehr hohe Fördermittel zu verwalten und diese sinnvoll und nachhaltig im Projekt einzusetzen.
Gab es besondere Herausforderungen bei der Umsetzung von WAHRHEITEN?
Das Projekt WAHRHEITEN war ohnehin schon sehr komplex: Es handelte sich um ein spartenübergreifendes dreistündiges Stadtraumprojekt. Der erste Teil der Vorstellung begann zwar im Haupthaus, aber die restlichen Performances fanden alle außerhalb des Theaters statt, in verschiedenen Leerständen in der Stadt Regensburg. Das Publikum wurde in Gruppen aufgeteilt und zog gemeinsam mit den Darstellerinnen und Darstellern von Spielstätte zu Spielstätte. Insgesamt gab es acht solcher Orte, an denen jeweils eine zehnminütige Performance stattfand. Das Publikum konnten im Verlauf des Abends alle Spielstätten durchlaufen und verschiedene Darbietungen erleben.
Das künstlerische Konzept, in Kombination mit der gleichzeitigen Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die wir zum ersten Mal realisierten, sowie der Notwendigkeit, neue Maßnahmenkonzepte zu entwickeln, war eine sehr große Herausforderung.
Im Rahmen von WAHRHEITEN hat das Theater Regensburg die KLIMAKAUTION – eine Art freiwillige CO₂-Kompensation, basierend auf der Anreiseart des Publikums – ins Leben gerufen. Zuzüglich zum Kartenpreis wurde eine Klimakaution in Höhe von zehn Euro (ermäßigt fünf Euro) erhoben. Diese wurde beim Kauf der Karte fällig und nach Nachweis einer mindestens klimafreundlichen Anreise zum Theater vor der Vorstellung in bar ausbezahlt.
Wie hat das Publikum auf die KLIMAKAUTION als kreativen Ansatz zur Förderung klimafreundlichen Verhaltens reagiert?
Das Publikum hat größtenteils (98 Prozent) positiv auf das Projekt reagiert. Es gab nur sehr wenige kritische Stimmen, die mich direkt erreicht haben; ein paar Beschwerden gab es an der Kasse oder vereinzelt vor Ort. Aber insgesamt wurde das Projekt als Experiment akzeptiert, und viele fanden es spannend, etwas Neues auszuprobieren und Teil des Projekts zu sein.
Der größte Kritikpunkt war die Verwendung von Papierfragebögen zur Erfassung der Mobilitätsdaten. Dabei ist der Papierverbrauch im Vergleich zur Mobilität ziemlich unbedeutend, was den CO2-Ausstoß betrifft. Die wahre Wirkung lag darin, dass das Publikum alternative Transportmittel wie Fahrräder, Busse und Züge nutzte. Wir haben gezielt über die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung des ÖPNV mit dem Theaterticket informiert. Auch ein zusätzlicher Fahrradparkplatz wurde eingerichtet, was sehr gut angenommen wurde. Um den Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu erhöhen, wollten wir auch Rufbusse anbieten, was jedoch nur vereinzelt auf Interesse gestoßen ist und wir die Maßnahme letztlich gar nicht umsetzten konnten.
Im Ergebnis konnten wir die Anreise mit dem PKW von normalerweise 50 Prozent auf unter 10 Prozent reduzieren – konkret auf etwa 8,8 Prozent, wovon der Großteil mit dem ÖPNV angereist ist. Die restlichen Besucherinnen und Besucher kamen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder haben E-Mobilität genutzt. Das war ein großer Erfolg.
Welche Strategien haben dazu beigetragen, den Anteil des mit dem Auto anreisenden Publikums zu senken?
Kommunikation war der Schlüssel – vor allem über unsere Website, über Mailings und gezielte Information hinsichtlich der Nutzung des Theatertickets für den öffentlichen Nahverkehr. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer wussten gar nichts von dieser Möglichkeit. Darüber hinaus haben wir Anreize geschaffen, etwa durch einen zusätzlichen Fahrradparkplatz direkt beim Theater, der sehr gut angenommen wurde. Den Hauptanteil hatte aber sicherlich die Klimakaution und die Lust des Publikums Teil dieses Projekts zu sein und zu wissen, dass man selber den größten Beitrag leisten kann um Emissionen zu sparen und somit mitzuhelfen das gemeinsame Projektziel (so wenig Emissionen wie möglich zu erzeugen) zu erreichen.
Inwiefern können kulturelle Projekte wie WAHRHEITEN einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs über Nachhaltigkeit anstoßen?
Kulturinstitutionen wie Theater und Museen bieten eine einzigartige Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen und wichtige Themen anzusprechen. Durch die regelmäßige Interaktion mit Besucherinnen und Besucher können wir gesellschaftlich relevante Inhalte auf kreative Weise vermitteln und zum Nachdenken anregen. Als öffentlich geförderte Einrichtungen sind wir zudem in der Verantwortung, uns aktiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen und unseren Beitrag zu leisten – und das wollen wir auch. Es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit, gesellschaftliche Herausforderungen zu bearbeiten und sie in unsere Projekte zu integrieren.
Im Rahmen von WAHRHEITEN haben wir viel mehr über Nachhaltigkeit kommuniziert als üblich, weil wir sicherstellen mussten, dass die Menschen bereit sind, Teil des Projekts zu sein – etwa durch die Entscheidung, das Auto stehen zu lassen. Viele Menschen, die uns angesprochen haben, wurden erst durch das Projekt auf Aspekte wie die Bedeutung der Mobilität für den CO₂-Ausstoß aufmerksam. Solche Projekte schaffen Bewusstsein und regen zum Nachdenken an – über das eigene Verhalten und über größere gesellschaftliche Fragen.
Was nehmt ihr aus dem Projekt mit?
Vor allem, dass es sich lohnt, neue Wege zu gehen und Dinge auszuprobieren, auch wenn sie zunächst kompliziert erscheinen. Es war nicht immer einfach, aber die positiven Rückmeldungen und die sichtbaren Erfolge motivieren uns, weiterzumachen. Nachhaltigkeit wird in Zukunft noch stärker Teil unseres Selbstverständnisses sein.
Welche Bedeutung hat dieser bedeutende Erfolg für zukünftige Projekte?
Der Erfolg war bedeutend für uns: Ein Jahr nach dem Erfolg von WAHRHEITEN haben wir das Projekt SUSTAINABLE LISTENING realisiert, ein Kammerkonzert, das sich klar auf Nachhaltigkeit fokussierte. Das Konzert fand im frisch umgerüsteten Neuhaussaal statt, in dem auch die neue LED-Beleuchtung eingeweiht wurde. Auch dieses Projekt setzte auf die KLIMAKAUTION und arbeitete mit regionalen Nachhaltigkeitsinitiativen zusammen. In Kooperation mit einer Ausstellung namens „Land.schafft.Klang“ wurden Klänge von Wiesen, Böden und Insekten in das Konzert integriert, was eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Umwelt- und Klimafragen ermöglichte. Das Projekt war ein weiterer künstlerischer Ansatz, um nachhaltige Themen aufzugreifen und zu kommunizieren.
Gab oder gibt es einen Austausch mit anderen Kulturschaffenden, die ähnliche Ziele verfolgen?
Es gibt ein riesiges Netzwerk von Projekten, die durch den Fonds Zer0 oder andere Förderprogramme unterstützt werden. In diesem Rahmen werden regelmäßig Netzwerktreffen und Online-Stammtische veranstaltet, bei denen sich Kulturschaffende austauschen können. Diese Gelegenheiten haben uns sehr geholfen, voneinander zu lernen und zu sehen, welche Maßnahmen in anderen Institutionen bereits umgesetzt werden.
Welche Ratschläge hast du für andere Kultureinrichtungen, die nachhaltiger arbeiten möchten?
Mein Ratschlag ist, einfach mal anzufangen – auch wenn man noch keine genaue Vorstellung hat, wie es funktionieren soll. Es ist wichtig, dass die Leitung der jeweiligen Kultureinrichtung hinter dem Projekt steht und die Mitarbeitenden unterstützt erste Schritte zu gehen.
Schritt für Schritt kann man viel erreichen, und eine Förderung zu beantragen, kann oft den entscheidenden Impuls geben, um das Projekt voranzutreiben. Man muss einfach ins kalte Wasser springen und einfach mal anfangen.
Wir haben zu Beginn, mit Hilfe des externen Projektbüros WHAT IF, eine Klimabilanz erstellt, was ein wichtiger erster Meilenstein war. Heute gibt es viele Tools, die einem helfen, eine solche Bilanz selbst zu erstellen. Dann sollte man mit kleinen Maßnahmen anfangen – vielleicht erstmal auf Recyclingpapier umsteigen, ein Mülltrennungssystem einführen oder auch erste Anpassungen bei der Technik vornehmen. Es ist wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn etwas nicht gleich funktioniert oder etwas viel länger dauert als ursprünglich geplant.