Nachhaltiger Ausstellungsbetrieb | Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg steht für ein nachhaltiges Museum der Zukunft 

Das Bild zeigt einen großen Ausstellungsraum in einem Museum. In der Mitte steht ein Modell in der Form einer Landkarte, auf das Bilder projiziert werden. Entlang der Wände sind mehrere Vitrinen mit verschiedenen Objekten, Infotafeln und Monitoren zu sehen. Rechts steht eine Gondel einer Seilbahn, die Teil der Ausstellung ist. Oberhalb der Wände werden großflächige Fotos und Filme projiziert.
Mediale Gestaltung der Bayernausstellung 2024 mit Großleinwand „Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945 – 2020“ in Regensburg

Die Bayernausstellung 2024 „Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945 – 2020“ im Haus der Bayerischen Geschichte setzte einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und verfolgte das Ziel, den ökologischen Fußabdruck der Ausstellung so gering wie möglich zu halten. Nachhaltigkeit wurde dabei nicht nur als inhaltliches Thema aufgegriffen, sondern auch als zentraler Grundsatz in der Planung und Umsetzung integriert. Von der Auswahl wiederverwendbarer Materialien bis hin zur Zusammenarbeit mit nachhaltig agierenden Dienstleisterinnen und Dienstleistern wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Ausstellung ressourcenschonend zu gestalten. 

Ende Dezember 2024 berichteten Christina Schmitt, Leiterin Museumsbetrieb, Sammlung, Prävention, und Alexandra Ermann aus dem Kuratorenteam der Sonderausstellung im Interview von ihren Erfahrungen bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen im Ausstellungskontext. Sie erläutern, welche Herausforderungen sie bewältigten, welche konkreten Lösungen sie entwickelten und wie diese Ansätze als Modell für künftige Ausstellungen dienen können. 

Künstlerischer Anspruch und Nachhaltigkeit stellen in der Gestaltung von Ausstellungen keinen Widerspruch dar. Es gilt aber eine gewisse Offenheit mitzubringen, wenn es um nachhaltige und ungewohnte Wege in der Ausstellungsgestaltung geht.

Alexandra Ermann aus dem Kuratorenteam der Sonderausstellung, Haus der Bayerischen Geschichte

Die Ausstellung als nachhaltiges und klimafreundliches Vorreiter- und Forschungsprojekt

Eine Ausstellung ohne nennenswerten ökologischen Fußabdruck – dieses Ziel verfolgte das Haus der Bayerischen Geschichte mit der Bayernausstellung 2024 „Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945 – 2020“. Wie haben Sie die Idee entwickelt, die Bayernausstellung 2024 so nachhaltig wie möglich zu gestalten? 

Zentrale Aspekte wie Klimaschutz, Naturschutz und Ökologie tauchen bei allen behandelten Großprojekten und bei den Diskussionen um diese immer wieder auf. Dadurch entstand der Ansporn, die Bayernausstellung selbst nachhaltig zu gestalten und dieses Konzept als Gesamtexperiment auszuprobieren. Da diese Sonderausstellung hier vor Ort stattfindet, wo bereits sehr nachhaltig gewirtschaftet wird, konnten wir flexibel und umfassend auf alle Überlegungen und Anforderungen eingehen. 

Diese Aspekte diskutierten wir von Anfang an intensiv und integrierten sie fortlaufend in die Planung, um Nachhaltigkeit als Gestaltungsprinzip zu verankern. 

Was waren die größten Herausforderungen bei der Planung? 

Bei der Planung der Ausstellung wurde von Anfang an bewusst von konventionellen Gestaltungskonzepten abgewichen. Der Ausstellungsgestalter war frühzeitig eingebunden und trug die Idee der Nachhaltigkeit von Anfang an mit. Schon der erste Entwurf spiegelte diese Ausrichtung wider. Die Projektleitung und das Gestaltungsbüro haben intensiv an den verschiedenen Themen gearbeitet, etwa den Vitrinen, Trägersystemen und Materialien.  

Wir haben stets darauf geachtet, möglichst wenig Material zu verwenden. Während des Prozesses wurden Ideen entwickelt und Lösungen mehrfach angepasst, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ein wichtiger Ansatz war auch, wenig Neues zu bauen und stattdessen Materialien wiederzuverwenden. Wo neues Material erforderlich war, wurde es so gewählt, dass es später sortenrein recycelt oder upgecycelt werden konnte. Auch die Wiederverwendbarkeit der Materialien und Ausstellungsbauten nach Laufzeitende war ein zentraler Punkt der Planung.  

Können Sie uns mehr über konkrete Beispiele von wiederverwendbare und upgecycelte Materialien erzählen?  

Das Baugerüst, die Basis unseres Ausstellungsbaus, wird als solches wieder auf dem Bau eingesetzt. Licht- und Medientechnik sowie die Möbel und Vitrinen werden im Haus in Nachfolgeprojekten weiterverwendet. Die Panoramaleinwand, ein zentrales Element in der Ausstellung, wurde bereits 2020 in einer anderen Ausstellung genutzt und wird auch weiterhin verwendet. Wir versuchen, diese Ressourcen so lange wie möglich zu nutzen, bevor sie ersetzt werden müssen.  

Materialien, die wir nicht intern behalten, gehen an die örtliche Hochschule, um dort in den Werkstätten verarbeitet zu werden. Große Grafikdrucke finden ebenfalls eine neue Verwendung, etwa in einem Sozialprojekt, die daraus Taschen und Rucksäcke herstellt. Papier wird normal entsorgt und große Pappaufsteller geben wir an einen Kindergarten weiter.  

Die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Ausstellungsdesign ist oft mit logistischen Herausforderungen verbunden. Welche Schwierigkeiten haben Sie in der Praxis erlebt?  

Unabhängig von „Ois anders“ wird diese Vorgabe speziell beim Ausstellungsbau auf die Probe gestellt, da dort häufig neue Einbauten notwendig sind. Die begrenzte Lagerfläche erschwert es, größere Ausstellungsstücke oder Module dauerhaft aufzubewahren. Die Verwaltung dieser Lagerflächen sowie das Angebot von wiederverwendbaren Möbeln und Modulen für Wechselausstellungen erfordern eine sorgfältige Planung. Wir sind kontinuierlich dabei, Platz zu schaffen, Standorte festzulegen, um auch das Material bereitstellen zu können, das für große Wechselausstellungen oder Landesausstellungen benötigt wird. Aber: Nicht jede Ausstellung bei uns kann aus dem Vollen schöpfen und es werden immer noch neue Materialien benötigt.  

Zudem spielt zum einen die Organisation von Außenlagern eine Rolle: Dabei ist eine Abwägung der CO₂-Belastung durch Transporte sowie eine genaue Abstimmung hinsichtlich der Verfügbarkeit benötigter Elemente erforderlich. Zum anderen ist die Auswahl der Dienstleisterinnen und Dienstleister entscheidend: Wir achten darauf, mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die sich ebenfalls zur Nachhaltigkeit verpflichten. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise geprüft, ob kurze Transportwege möglich sind. Der Verleiher des Baugerüsts der Ausstellung „Ois anders“ stammt etwa aus Regensburg, was die Transportwege erheblich verkürzt.  

Jetzt in der Endphase der Ausstellung „Ois anders“ ist ein weiterer Aspekt die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Ausstellungsteams und dem Museumbetrieb, bezüglich der Wiederverwendung von Vitrinen und Modulen. Diese werden entweder direkt zu einem neuen Ausstellungsort transportiert oder in die Lager überführt. 

Sie haben vor, Ihre Maßnahmen nach der Ausstellung kritisch zu hinterfragen. Wie werden Sie den Erfolg der nachhaltigen Maßnahmen bewerten? Welche Indikatoren oder Benchmarks ziehen Sie zur Bewertung heran? 

Die Bewertung der nachhaltigen Maßnahmen der Ausstellung gestaltet sich komplex, da diese spezifische Ausstellung in ihrer Form und Gestaltung nicht wiederholt wird. Im Fokus steht daher, welche Erkenntnisse aus der Ausstellung gezogen und für zukünftige Projekte genutzt werden können. Dazu haben wir zwei Ansätze entwickelt: 

Erstens wurde eine CO₂-Bilanz der Transporte erstellt, einschließlich der Logistik der Dienstleisterinnen und Dienstleister, etwa aus den Bereichen Medientechnik, Grafik und Aufbauunternehmen. Ziel war es, den CO₂-Ausstoß zu quantifizieren und herauszufinden, welche Transporte besonders emissionsintensiv waren und wo Einsparpotenziale bestehen. Wir wollen herausfinden, ob Transporte gebündelt werden können, um unnötige Wege zu vermeiden, insbesondere beim Abbau und Rücktransport der Ausstellungsobjekte. 

Zweitens wird eine externe Bewertung der eingesetzten Materialien durchgeführt, um deren CO₂-Bilanz und Nachhaltigkeit zu analysieren. Dabei werden verwendete Materialien wie handelsübliches und recyceltes Acryl mit möglichen Alternativen verglichen. Die Ergebnisse sollen zeigen, welche Materialien künftig bevorzugt oder vermieden werden sollten, abhängig von ihrer Umweltverträglichkeit und praktischen Verwendbarkeit. 

Werden die CO₂-Bilanzen für die Materialien von den Herstellern zur Verfügung gestellt oder gibt es eine entsprechende Datenbank? 

Die CO₂-Bilanz der Transporte mit Lkw und Pkw basiert überwiegend auf den Angaben zu Emissionen, die von den Herstellern der Fahrzeuge öffentlich zugänglich gemacht sind. Die Berechnung erfolgt intern. Dabei wurden die zurückgelegten Kilometer dokumentiert. Dienstreisen zu Recherchezwecken wurden größtenteils mit der Bahn durchgeführt. Die Berechnungen zu den CO2-Emmissionen des Zugverkehrs basieren auf Angaben staatlicher Institutionen, beispielsweise des Umweltbundesamtes. Trotz der Schwierigkeiten versuchten wir, alle relevanten Daten zu erfassen, um eine möglichst umfassende Bilanz zu erstellen. 

Die Bilanzierung der Materialien hingegen wird aufgrund der Komplexität aktuell von einem externen Dienstleister durchgeführt. 

Gab es kreative Lösungen oder innovative Ansätze, die Sie in der Ausstellung umsetzen konnten, die bereits jetzt für andere Kulturinstitutionen anwendbar sind?  

Die Ausstellung setzt auf ein ungewöhnliches Trägersystem für Texte und Grafiken. Statt klassischer MDF-Platten oder ähnlicher Materialien haben wir Packpapier in Recycling-Qualität verwendet. 

Erstaunlich war die Haltbarkeit des Papiers: Alle Bahnen, die seit der Eröffnung am 18. April hängen, sind noch im Einsatz, ohne dass Nachdrucke nötig waren. An wenigen Stellen mussten Bahnen geklebt werden, was jedoch kaum auffällt. Die unkomplizierte Handhabung und die ästhetische Wirkung des Packpapiers waren anfangs nicht absehbar, wurden jedoch zu einem wichtigen Merkmal der Ausstellung. 

In der Ausstellung wurde bewusst auf zusätzlichen Materialeinsatz verzichtet. Kabel wurden sichtbar verlegt, und Bildschirme nicht in Wände eingelassen, sondern mit minimalem Materialaufwand auf Platten montiert. Auch die Vitrinen stammen vollständig aus dem bereits vorhandenen Bestand des Museums, was eine genaue Planung erforderte, um die passenden Objekte zuzuordnen. Nicht immer harmonieren Vitrinen und Objekte ideal, doch wurde dies zugunsten der Nachhaltigkeit akzeptiert. 

Langfristig plant das Haus, ausschließlich standardisierte Vitrinen in bestimmten Größen zu nutzen, um eine höhere Wiederverwendbarkeit zu gewährleisten. Maßgefertigte Vitrinen, die speziell für einzelne Objekte gebaut werden, gehören damit der Vergangenheit an. 

Setzen Sie für die Konzeption einer Ausstellung eigene Mitarbeitende ein oder arbeiten Sie mit externen Fachleuten zusammen? 

Das inhaltliche Konzept stammt immer von dem jeweiligen wissenschaftlichen Team des Hauses. Die gestalterische Umsetzung wird extern vergeben. In der Ausschreibung ist der Nachhaltigkeitsaspekt integriert, sodass die Gestalterinnen und Gestalter unsere nachhaltigen Vorstellungen berücksichtigen. Dazu gehört unter anderem das angesprochene einheitliches Modulsystem für Vitrinen. 

Werden Nachhaltigkeitsaspekte bei der Ausstellungsgestaltung als Einschränkung der künstlerischen Freiheit wahrgenommen? 

Wir sind bisher mit diesem Anliegen stets auf offene Ohren gestoßen. Die Bereitschaft, diesen Weg mitzugehen, ist also enorm. Künstlerischer Anspruch und Nachhaltigkeit stellen keinen Widerspruch dar. Es gilt aber eine gewisse Offenheit mitzubringen, wenn es um nachhaltige und ungewohnte Wege in der Ausstellungsgestaltung geht. Die Bayernausstellung „Ois anders“ ist dafür ein gutes Beispiel.

Wie wichtig ist dabei die interne Kommunikation im Team? Wie involvieren Sie Ihr Team in den Nachhaltigkeitsprozesse, um das Bewusstsein und Engagement der Mitarbeitenden zu fördern? 

Die interne Kommunikation ist ein entscheidender Faktor. Es geht darum, alle Mitarbeitenden einzubinden, zu informieren und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dabei legen wir großen Wert darauf, regelmäßig unsere Ziele abzugleichen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Dabei ist es essenziell, sich auf ein übergeordnetes Ziel zu konzentrieren – im Bereich Gebäudebetrieb beispielsweise auf Energieeinsparungen. Diese einheitliche Ausrichtung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfolgs. Zudem haben wir im Haus eine AG Nachhaltigkeit, die alle zwei Monate zusammenkommt, um gemeinschaftlich das Thema Nachhaltigkeit vorwärtszubringen. Die besprochenen Themen werden an alle Mitarbeitenden kommuniziert. 

Die Ausstellung als nachhaltiges und klimafreundliches Vorreiter- und Forschungsprojekt

Zum Abschluss eine Frage an Natascha Zödi-Schmidt, Leiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Haus der Bayerischen Geschichte: Seit Sommer 2024 ist das Museum zertifiziertes „nachhaltiges Reiseziel“. Gibt es besondere Kommunikationsstrategien, um das Thema Nachhaltigkeit greifbar zu machen? 

Wir freuen uns sehr, Teil der Initiative „Nachhaltiges Reiseziel Regensburg“ zu sein. Die Stadt Regensburg hat ein eigenes Portal und Zielgruppensegment für nachhaltigen Tourismus aufgebaut und fördert dieses Konzept aktiv, indem Partnerinnen und Partner, die das Zertifikat erreicht haben, unter der Marke „Nachhaltiges Reiseziel“ kommuniziert werden. 

Nachhaltigkeit ist für uns ein ständiges Thema, das in allen Bereichen mitschwingt, auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wenn wir Pressemitteilungen zu Ausstellungen oder anderen Projekten verfassen oder auch im Rahmen unserer Jahrespressekonferenz, hat dieses Thema immer einen festen Platz.  

Zudem finden Besucherinnen und Besucher direkt am Museum beispielsweise ein großes Banner, das auf unsere energetischen Maßnahmen hinweist. Außerdem arbeiten wir kontinuierlich an unserer Internetpräsenz, wo es eine eigene Seite zum Thema Nachhaltigkeit gibt. 

Welche Empfehlungen haben Sie für andere Museen beziehungsweise Kultureinrichtungen, die sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit machen wollen? Wo sollten diese beginnen?  

Im Haus der Bayerischen Geschichte konnte dank der Rückendeckung des Direktors, Dr. Richard Loibl, eine kontinuierliche Optimierung dieser Ziele erreicht werden. Außerdem sollte man eine gewisse Offenheit mitbringen, wenn es um nachhaltige und ungewohnte Wege in der Ausstellungsgestaltung geht. 

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