Architektur, Akustik, Ambition: Wie das Konzerthaus Blaibach neue Maßstäbe setzt

Blick von oben auf einen modernen Konzertsaal mit Sichtbetonwänden, schrägen geometrischen Flächen und einem Flügel auf der Bühne. Der Zuschauerraum ist mit Drahtgitterstühlen in Reihen bestuhlt.

Das Konzerthaus Blaibach im Bayerischen Wald verbindet Kultur, Nachhaltigkeit und Regionalität auf besondere Weise. Wie gelingt es, anspruchsvolle Kulturarbeit mit umweltbewusstem Bauen und wirtschaftlicher Verantwortung zu vereinen? Welche Rolle spielen dabei regionale Materialien und moderne Energiekonzepte? Intendant Thomas E. Bauer gibt im Interview Einblicke in die Entstehung, den Betrieb und die Zukunft eines Hauses, das weit mehr ist als nur ein Veranstaltungsort.

„Die Verwendung von Granit hat sich seit Jahrhunderten in den umliegenden Bauernhöfen bewährt. Glas und Granit, also die Materialien, aus denen das Konzerthaus im Wesentlichen besteht, sind identitätsstiftende Baustoffe im Bayerischen Wald.“

Thomas E. Bauer, Intendant der Konzerthaus Blaibach

Außenansicht Konzerthaus

Nachhaltigkeit spielt im Bau und Betrieb öffentlicher Gebäude eine immer größere Rolle. Wie zeigt sich das im Fall des Konzerthauses – welche Maßnahmen zur Energie- und Ressourcenschonung wurden konkret umgesetzt?

Wir haben bereits vor mehreren Jahren auf Anregung eines regionalen Unternehmens begonnen, unser Haus klimaneutral zu stellen. Zentral war dabei der Erwerb von Zertifikaten zum Ausgleich von CO2-Emissionen. Mich hat dieser Ansatz nie ganz überzeugt, aber er war ein Einstieg in das Thema. Spannend war es, sich im Rahmen der Ermittlung unserer CO2-Bilanz einmal mit der Frage der Ressourcenvermeidung auseinanderzusetzen und darin liegt aus meiner Sicht noch ein großes Potenzial. In der Folge haben wir beispielsweise auf möglichst klimafreundliche Verkehrsmittel bei der Anreise unserer Künstlerinnen und Künstler geachtet. Derzeit halten wir Ausschau nach innovativeren Formen der Kompensation.

Welche Rolle spielen erneuerbare Energien im Betrieb des Gebäudes? Gibt es ein eigenes Energiekonzept?

Zu Zeiten der Errichtung des Gebäudes mussten wir sehr auf die Baukosten schauen. Die kostengünstigste Heizungsmethode war zur damaligen Zeit der Betrieb über eine Gasheizung. Wir sehen das heute anders und es gibt für unser Gelände bereits eine Machbarkeitsstudie, die uns mittelfristig in Richtung Erdwärme führen wird.

Welche nachhaltigen Maßnahmen wurden beim Bau und Betrieb des Konzerthauses bewusst berücksichtigt? Gab es dabei besondere Herausforderungen – sei es bei der Materialwahl, der Energieeffizienz oder der langfristigen Betriebsstrategie – und wie wurden diese gelöst?

Es war eine Neuerung im Konzerthausbau, dass wir auf Glasschaumschotterbeton gesetzt haben. Dieses Material hat besonders vorteilhafte dämmende Eigenschaften, sodass wir auf zusätzliche dämmende Maßnahmen verzichten konnten und sich die Heizkosten insgesamt in vertretbaren Grenzen halten. Das Raumprogramm wurde auf das unbedingt Notwendige beschränkt. Wir müssen also keine unnötigen Flächen mit Energie versorgen und erzielen somit einen hohen Wirkungsgrad. Eine große Position war zum Beispiel die Gestaltung der Fassade, für die wir ausschließlich Granit aus dem nächstgelegenen Steinbruch verwendet haben. Es führt an dieser Stelle vielleicht zu weit, aber wir machen uns auch Gedanken über den Erhalt eines auf die künstlerische Produktion fokussierten Betriebs. Heute wird die Programmgestaltung zu oft von der Erfüllung gesellschaftlicher Fragestellungen überlagert.

Welchen Einfluss hatte die Topografie des Geländes auf das Design des Gebäudes und wie wurde diese Herausforderung in die Architektur des Konzerthauses integriert?

Es ist ganz einfach: Die Erfahrung der letzten beiden Jahrhunderte zeigt, dass die klassische „Schuhschachtel“ das akustisch beste und baulich kostenschonendste Modell ist. Da das Gelände eine Neigung aufwies, haben wir unsere Schuhschachtel gekippt und halb eingegraben. So war das Grundkonzept nach einer Flasche Bier eigentlich auf zwei, drei Seiten fertiggestellt. In der Umsetzung ist es aber doch ein ziemlich komplexer Baukörper geworden …

Beim Bau des Konzerthauses wurden regionale Materialien wie Granit genutzt. Welche Überlegungen steckten hinter der Wahl dieser Materialien und wie tragen sie zur nachhaltigen Bauweise des Konzerthauses bei?

Regionale Materialien waren kostengünstiger zu beschaffen und wir standen ja unter enormem Kostendruck. Die Verwendung von Granit hat sich außerdem seit Jahrhunderten in den umliegenden Bauernhöfen bewährt. Gemeinsam mit Glas, unserem zweiten Hauptmaterial, steht er für eine Bauweise, die tief in der Identität des Bayerischen Waldes verankert ist. Obwohl das Konzerthaus auf den ersten Blick extravagant wirkt, ist es in Wahrheit viel traditioneller und langlebiger als so manche Toskanavilla am Ortsrand.

Die Wände im Konzertsaal sind aus einem innovativen Material (Glasschaumschotterbeton) gefertigt. Was ist das Besondere an diesem Material?

Neben den herausragenden Dämmwerten, die ich bereits erwähnt habe, überraschten uns vor allem die akustischen Eigenschaften des Materials, da es kaum Erfahrungswerte gab. Diese machen das Konzerthaus wahrscheinlich zu einem Auditorium mit einer der weltweit besten Akustiken. Außerdem gibt es eine ästhetische Komponente. Der Glasschaumschotterbeton ist herrlich unregelmäßig und erzeugt großartige, zufällige Reliefs, die dem Raum eine einzigartige Dynamik verleihen.

Welchen Einfluss hatte das Konzerthaus auf die lokale Wirtschaft und das Image der Region? Hat es zu einer nachhaltigen Steigerung des Interesses an Blaibach geführt?

Unser Haus wird weltweit beachtet. Dieser Marketingeffekt ist unbezahlbar und führt dazu, dass jährlich ca. 30.000 Menschen in ein Dorf mit 2.000 Einwohnenden kommen. Da liegen die Effekte auf der Hand. Dort, wo sie die Gemeinde Blaibach nicht nutzt, entsteht die Umwegrendite im Landkreis.

Welche Synergien gibt es zwischen dem Konzerthaus und anderen regionalen Akteurinnen und Akteuren (Künstlerinnen und Künstler, Handwerk, Tourismus, Gastronomie etc.)?

Ich habe mich nie als Zuarbeiter für die regionale Wirtschaft betrachtet. Das Konzerthaus selbst hat aber für den Eigenbetrieb bereits einige Arbeitsplätze generiert. Und natürlich profitieren Hotellerie und Gastronomie beträchtlich, weil unser Publikum im Schnitt 200 Kilometer anreist. Da braucht man Unterkunft und gutes Essen und schaut sich zusätzlich in der Gegend um. Wir haben zum Beispiel unser neues Ticketsystem in Cham konzipieren und programmieren lassen und selbstverständlich kommt auch die spezielle Veranstaltungstechnik von hier. Die Liste ließe sich fortführen.

Welche nächsten Schritte sind geplant, um das Konzerthaus weiter in Richtung Klimaneutralität zu entwickeln?

Wir haben bereits einige Schritte unternommen, etwa die Machbarkeitsstudie zur energetischen Umstellung unseres Gebäudes. Aktuell gibt es neue E-Ladesäulen am Konzerthaus, und wir sind grundsätzlich offen für weitere Entwicklungen und prüfen regelmäßig, welche Innovationen sich sinnvoll umsetzen lassen.

Inwiefern dient das Konzerthaus als Vorbild für andere Kultureinrichtungen in Bayern in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz? Was sind die wichtigsten Lehren, die aus diesem Projekt gezogen wurden – könnten sie auf zukünftige Projekte angewendet werden?

Das Konzerthaus kann in vielerlei Hinsicht als Best-Practice-Modell angesehen werden. Deswegen bekomme ich laufend Besuch von Kommunen aus ganz Deutschland, die das Projekt spannend finden. Wer so etwas vorhat, muss aber wissen: Die Hauptanstrengungen liegen auf der wirtschaftlichen Solidität der Unternehmung. Das Publikum kommt ja nur wegen der vielen Stars, denen sie in Blaibach unglaublich nahe kommen können. Das heißt, es braucht hohe Ticketumsätze und viele öffentliche und private Sponsoren. Zudem ist es entscheidend, eine verantwortliche Person zu finden, die das Risiko trägt, falls das Projekt nicht wie geplant läuft. Architektur, Betriebsmodell, Klimaschutz und Nachhaltigkeit bilden dabei den erforderlichen Rahmen, sind jedoch nicht die Haupttreiber des Erfolgs.

Nachhaltiges und zirkuläres Bauen gewinnt auch auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch EU-weite Regularien, Förderprogramme oder den Austausch mit internationalen Partnerinnen und Partnern? Gibt es internationale oder europäische Vorbilder, die bei der Planung und Umsetzung des nachhaltigen Konzerthauses eine Rolle gespielt haben? Inwiefern kann das Konzerthaus selbst als Best-Practice-Beispiel für vergleichbare Projekte in Europa dienen?

Soweit ich es erkennen kann, gibt es weltweit kein vergleichbares Projekt, deswegen das Aufsehen im „Fall Blaibach“. Oft passen die Förderprogramme der EU oder des Bundes nicht zu uns, weil man ländlichen Regionen kein Kulturprogramm auf internationalem Spitzenniveau zutraut. Da geht es mehr oder weniger um regionale Bildungsarbeit. Meine Erfahrung ist aber, dass die Menschen es inzwischen satthaben, ständig erzogen zu werden. Das Konzerthaus bietet einfach nur höchste Qualität für ein interessiertes Publikum, deswegen brauchen wir überhaupt keine Marketingaktionen für ein ausverkauftes Haus. Was uns aber umtreibt, ist das Thema Kohäsion, gerade in Richtung Tschechien. Neuerdings gibt es ein interessantes Förderprojekt des Bundes, das die internationale Zusammenarbeit von Kulturinstitutionen unterstützt. In diesem Rahmen haben wir Kontakte nach Chile zu einer spannenden Konzerthausinitiative aufgebaut. Bei der geplanten Kooperation spielen faires Handeln, Nachhaltigkeitsstrategien und umweltschonende Aspekte die zentrale Rolle.