Passivhaus | Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg ist ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit

Das Bild zeigt die Außenansicht eines modernen Gebäudes mit einer grauen Fassade aus schmalen, senkrechten Elementen. Vor dem Gebäude liegt eine breite, helle gepflasterte Fläche. Am rechten Bildrand geht eine Person.
Fassade mit Strukturkeramik Haus der Bayerischen Geschichte

Das Haus der Bayerischen Geschichte hat mit der Zertifizierung als weltweit größtes Passivhaus-Museum am 13. Juni 2024 einen Meilenstein im ressourcenschonenden Umgang mit Energie erreicht. Damit wurde das Museum zum Vorzeigeprojekt und zu einem Good-Practice-Beispiel für Klimaschutz im Kulturbereich.

Von der intelligenten Steuerung der Klimatechnik, die flexibel auf Wetterprognosen und Besucherzahlen reagiert, über ressourcenschonenden Ausstellungsbau, bis hin zur Nutzung von Abwasserwärme – das Museum zeigt, wie ein nachhaltiger Betrieb den Weg zur Einhaltung musealer Anforderungen ebnet. Im Museumsbetrieb wird kontinuierlich an Optimierungen gearbeitet, um neue Einsparpotenziale zu erschließen und die Klimaneutralität zu steigern. Denn der Weg zur Nachhaltigkeit hat in Regensburg ein klares Ziel: Die langfristige Selbstversorgung von drei Gebäuden mit regenerativer Energie.

Ende Dezember 2024 berichtete Christina Schmitt, Leiterin Museumsbetrieb, Sammlung, Prävention, unter anderem von erreichten Meilensteinen bei der Energieeinsparung sowie den Herausforderungen einer Passivhaus-Zertifizierung. Das Haus der Bayerischen Geschichte verdeutlicht, ökologisches Bewusstsein und kulturelle Exzellenz schließen sich nicht aus, sondern können einander ergänzen.

Seit 2022 haben wir für alle drei Gebäude einen stabilen Verbrauch von monatlich 65.000 Kilowattstunden (kWh) und in jedem Ausstellungsraum von nurmehr 3.500 kWh. Möglich wurde dies durch eine gezielte Anpassung der Lüftungsanlagen an die Raumnutzung. Ausgangspunkt war die Optimierung der Lüftungsanlagen in der Dauerausstellung, deren energetischer Einsparerfolg sich auf alle weiteren Nutzungsbereiche des Museums übertragen ließ.

Christina Schmitt, Leiterin Museumsbetrieb, Sammlung, Prävention, Haus der Bayerischen Geschichte

Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg

Das Haus der Bayerischen Geschichte gilt – Stand heute – mit 7.712 Quadratmetern als das flächenmäßig größte Passivhaushaus-Museum weltweit. Schon bei Aufnahme der architektonischen Planung gab es die Idee für einen Neubau im Passivhausniveau. Seit Inbetriebnahme optimiert das Museum den Umgang mit Energie. 

Könnten Sie uns kurz den Weg von der Planung bis zu Zertifizierung skizzieren?

Im Jahr 2012 schlossen die Stadt Regensburg und der Freistaat Bayern eine Vereinbarung. Diese unterzeichneten Oberbürgermeister Hans Scheidinger und Ministerpräsident Horst Seehofer. Darin wurde festgelegt, dass die Stadt sowohl Wärme als auch Kälte für das Betreiben unserer Lüftungsanlagen kostenfrei zur Verfügung stellt. Ohne diese vertragliche Grundlage wäre es vermutlich nicht gelungen, auf das Wissen und die Expertise fachkundiger Ingenieurbüros zurückzugreifen.

Denn die Herausforderung bestand darin, trotz schwankender Besucherzahlen und variierender Außentemperaturen gleichbleibende klimatische Bedingungen in den Innenräumen zu schaffen. Ein schwankungsarmes Klima setzt die schadensfreie Präsentation von Sammlungsstücken voraus. Steigende Besucherzahlen führen jedoch zu hohen Wärme- und Feuchtigkeitsbelastungen. Daher forderte ich für unsere Dauerausstellung Innentemperaturen zwischen 18 und 20 Grad Celsius im Winter und zwischen 23 und 26 Grad Celsius im Sommer sowie ganzjährig eine konstante Luftfeuchtigkeit von 45 bis 55 Prozent. Um Kondensat in den Ausstellungsräumen zu vermeiden, waren aber nicht nur Ingenieurbüros auf dem Feld der Raumlufttechnik gefragt, auch der Hochbau musste unter den simulierten Berechnungen für ein Passivhaus die Baumaterialien für Verschalungen und Bauteilanschlüsse bestmöglich aussuchen. Darüber hinaus galt es Sonneneinstrahlung sowie interne Wärmelasten zum Beispiel von Medientechnik und Beleuchtung möglichst detailliert abzufragen, um sie in den Simulationen für die Passivhaus-Planungen zu berücksichtigen.

Eine Zertifizierung des Museums galt demnach als übergeordneter Maßstab für die Planungen sämtlicher Ingenieurbüros. Sie sollte gewährleisten, dass das Gebäude nicht nur möglichst wenig Strom, sondern auch ein Minimum an elektrischer Energie verbraucht. Die Betriebserfahrung eines anderen, im Jahr 2009 eröffneten Staatsmuseums zeigte, dass Strom- und Energiekosten im laufenden Betrieb unter Umständen höher ausfallen können als die Ausgaben für laufende Ausstellungen. Um Betriebskosten zu sparen, war es entscheidend, die Gebäudehülle so dicht wie möglich zu bauen, um dadurch die Betriebsleistung der Raumlufttechnik in den Ausstellungsräumen deutlich zu reduzieren.

Des Weiteren achteten die Planungsbeteiligten darauf, möglichst weitgefasste Klimakorridore für die Steuerung der Raumlufttechnik zu programmieren. Denn je enger die Temperatur und Feuchtigkeitsunterschiede beisammen liegen, desto mehr Strom wird für den Anlagenbetrieb nötig.

2019 ging das Museum dann in Betrieb. Dass die Vorüberlegungen aufgingen und gleichzeitig die Anforderungen eingehalten werden, zeigte uns 2020 der Corona-Betrieb: Einerseits mussten wir in der Zeit der Schließung überlegen, wie wir die raumlufttechnischen Anlagen möglichst energiesparend führen, und andererseits erhielten wir die Auflage, dass Lüftungsanlagen zu 100 Prozent laufen müssen, um den Infektionsschutz zu gewährleisten. Rein energetisch passte das natürlich nicht zusammen. Die Kollegen der Haustechnik prüften, ob und inwieweit bei ausbleibendem Besucherverkehr die Anlagen unserer Dauerausstellung auch dann funktionieren, wenn wir sie stundenweise oder gar ganz abstellen. Als die Anlagen nach Abschaltung wieder in Betrieb gingen, hatte sich das Ausstellungsklima nicht wesentlich verschlechtert. Vielmehr reagierte das Raumklima sehr träge mit Schwankungen innerhalb der akzeptierten Toleranzen.

Diese Anlagenführung nennen wir Schutzbetrieb. Infolge eines Betriebskonzepts mit optimierten Steuerungszeiten stellten wir ab November 2020 unsere Lüftungsanlage nachts aus. Die dadurch erzielten energetischen Einsparerfolge bildeten die Grundlage für die Berechnungen zum Passivhausstandard, den uns die Eza (Energie- und Umweltzentrum Allgäu) 2024 zertifizierte.

Gibt es konkrete Daten oder Erfolgskennzahlen, die Sie mit uns teilen können? Welche Parameter müssen erfüllt sein, um als Museum eine Zertifizierung als Passivhaus zu erhalten?

Die Kennzahlen eines Passivhauses wurden in fast allen Prüfkriterien weit unterschritten. Dies war der Erfolg einer nachhaltigen Betriebsführung der im Gebäude befindlichen Raumlufttechnik.

Zunächst begannen wir mit den Beobachtungen in unserer Dauerausstellung. Dort lag die elektrische Leistung der raumlufttechnischen Anlagen im Jahr 2022 noch monatlich bei etwa 22.000 kWh. Bis Ende 2020 konnte der Verbrauch auf 11.000 kWh halbiert werden. Dieser sensationelle Erfolg bestätigte, dass mit dem Abschalten von raumlufttechnischen Anlagen erhebliche Einsparungen an Strom sowie an elektrischer Energie möglich sind.

Seit 2022 haben wir für alle drei Gebäude einen stabilen Verbrauch von monatlich 65.000 kWh und in jedem Ausstellungsraum von nurmehr 3.500 kWh. Möglich wurde dies durch eine gezielte Anpassung der Lüftungsanlagen an die Raumnutzung. Ausgangspunkt war die Optimierung der Lüftungsanlagen in der Dauerausstellung, deren energetischer Einsparerfolg sich auf alle weiteren Nutzungsbereiche des Museums übertragen ließ.

Die RLT-Anlagen sind mittlerweile so programmiert, dass sie größtenteils automatisiert laufen, dennoch arbeiten wir kontinuierlich an weiteren Optimierungen. Die beschriebene Entwicklung, die weitestgehend unabhängig von der Zertifizierung zu sehen ist, war und ist entscheidend für unseren Fortschritt.

Die Zertifizierung erhielten wir schließlich, weil wir über einen Zeitraum von fünf Jahren eine kontinuierliche Verbesserung innerhalb der energiesparenden Anlagenführung nachweisen konnten. Daraus ergaben sich die folgenden durch die Zertifizierungsstelle ermittelten Kennzahlen:

Die Kennzahlen lagen in den meisten Kategorien deutlich unter den Bewertungskriterien des Passivhausinstituts und führten damit zur Zertifizierung zum weltweit größten Passivhaus-Museum.

Welche Vorteile bringt der Status Passivhaus mit sich?

Der entscheidende Vorteil liegt in der Möglichkeit, aktiv Strom sowie den Bedarf an Wärme und Kälte einzusparen. Dies wird durch eine dichte Gebäudehülle überhaupt erst möglich. Würde die Gebäudehülle nicht wie bauphysikalisch berechnet funktionieren, wäre es unmöglich, zur Klimatisierung unserer Ausstellungsräume Wärme und Kälte effizient zu nutzen. Wärme, die in einen Raum eingebracht wird und sofort nach außen entweicht, würde den Energiebedarf unweigerlich erhöhen, da die Anlagen mehr Leistung bringen müssten, um den Energieverlust auszugleichen. Dieser Aspekt ist weniger eine direkte Folge der Zertifizierung, sondern vielmehr ein grundlegender Vorteil des Passivhauskonzepts.

Die Zertifizierung selbst war ein zeitintensiver Schritt der detailgenauen Nachweisführung, die bei einem Museum idealerweise vor der Inbetriebnahme vorliegt. Dieses Ziel wurde jedoch nicht erreicht, da die raumlufttechnischen Anlagen im Juni 2019, also zum Zeitpunkt der Gebäudeübergabe durch das Staatliche Bauamt, noch nicht vollständig abgenommen waren. Der Betrieb begann somit unter unsicheren Bedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Funktion der Raumlufttechnik.

Wir sahen uns einer Belastungsprobe ausgesetzt, da der Eröffnungstermin unweigerlich näher rückte. Doch gerade aus dieser Situation heraus entstanden kreative Lösungen, die zum Erfolg führten. Wir sind stolz, diese schwierige Phase zusammen mit all unseren Partnern gemeistert zu haben.

Wie wird der Erfolg Ihrer Nachhaltigkeitsstrategien, zum Beispiel im Hinblick auf die Energieeinsparungen, evaluiert?

Die Anlagen reagieren äußerst sensibel, daher verändern wir maximal einen Parameter, um präzise zu beobachten, welche Auswirkungen die Regelung auf unser Klima hat. Beispielsweise analysieren wir, was passiert, wenn die Lüftung über einen bestimmten Zeitraum schrittweise hochgefahren wird, oder welche Effekte es hat, wenn die Luftwechselrate gesenkt wird.

Dieses Vorgehen ermöglichte ein Monitoring, das ich als Baubeauftragte in einer frühen Planungsphase forderte und vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr schließlich auch beauftragt wurde. Das Monitoring umfasste regelmäßige Treffen mit Ingenieurinnen und Ingenieuren, Bauphysikerinnen und -physikern, dem Staatlichen Bauamt, deren Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie dem Anlagenbauer und Regeltechniker, der den Anlagenbetrieb kontrolliert und steuert. Das Haus der Bayerischen Geschichte war von Anfang an Teil dieses Prozesses. Die Ergebnisse des Monitorings wurden monatlich in Protokollen festgeschrieben und flossen unmittelbar in die Berechnungen der Zertifizierung.

Das Museum nutzt weder Gas noch Öl, sondern klimaneutrale Energie aus Abwasser. Können Sie uns mehr über den Prozess der Wärmerückgewinnung aus dem Regensburger Abwasser erzählen? 

Der Regensburger Abwasserkanal, der mehrere Kilometer unterirdisch entlang der Donau verläuft, wird auf Höhe des Museums angezapft. Das Abwasser wird über eine Siebanlage in der Energeizentrale im Keller des Museums geleitet. Diese Technikzentrale betreibt die Stadt Regensburg. Die Stadt setzt Wärmepumpen ein, um die im Abwasser vorhandene Wärme auf vorgehaltene Wasserspeicher zu übertragen. Diese sind erforderlich für das Heizen, Kühlen und Entfeuchten unserer Ausstellungsräume. So erfolgt beispielsweise das Kühlen mit 0 Grad Celsius und das Heizen mit 50 Grad Celsius. Die Gebäudetechnik des Museums greift wiederum die Wassertemperatur ab, die für unser Ausstellungsklima und alle weiteren Nutzungsbereiche erforderlich ist.

Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie für die nachhaltige Entwicklung des Hauses der Bayerischen Geschichte und welche Projekte stehen in Zukunft an? Welche Meilensteine würden Sie gerne erreichen? 

Ein weiterer Schritt, den wir gehen möchten, ist, die raumlufttechnischen Anlagen nicht nur nachts, sondern, falls klimatisch vertretbar, auch untertags abzustellen.

Seit Juni 2024 konzentrieren wir uns auf die Optimierung von Luftwechselraten und auf die Steuerung des Luftaustauschs über den CO₂-Gehalt der Raumluft. Von beiden Parametern erhoffen wir uns weitere Einsparpotentiale. Denn durch die Messung des zulässigen CO₂-Gehalts in der Luft wird der zugeführte Frischluftanteil an der zulässigen Untergrenze des Sauerstoffgehalts in der Luft reguliert. Je nach Besucherverkehr in den Ausstellungen werden die RLT-Anlagen dann auch tagsüber abgeschaltet.

Unsere nächste Maßnahme ist, Ausstellungsräume mit CO₂-Messgeräten auszustatten, um die Frischluftzufuhr in Abhängigkeit des CO₂-Gehalts der Raumluft zu regulieren. Dadurch erhoffen wir uns, erneut Stromkosten einzusparen und den tatsächlichen Energieverbrauch weiter zu senken.

Auch der Gedanke der Energieautarkie ist noch aktuell. Hier starten wir Mitte 2025 mit einer Probefläche auf dem Museumsdach, auf der PV-Folie verklebt wird.

Unter welchen Voraussetzungen würden Sie das Konzept „Passivhaus“ anderen Kultureinrichtungen empfehlen? 

Die Energiespargesetze für den Bau in Bayern haben sich in den letzten zehn Jahren verbessert. Ohne diese Richtlinien würden Passivhäuser wahrscheinlich nicht gebaut werden. Dies stellt einen wichtigen Aspekt dar, besonders im Hinblick auf das öffentliche Bauen. Unser Museumsbau galt als Pilotprojekt des Freistaat Bayern, das durch den Betrieb nachweisen kann, wie sinnvoll es ist, in Nachhaltigkeit zu investieren.

Ich empfehle, vergleichbare Projekte mit dem nötigen Bedacht anzugehen. Es ist wichtig, im Vorfeld genau zu prüfen, welche Ziele verfolgt werden und wie diese umsetzbar sind. Dabei spielen die Baumaterialien eine entscheidende Rolle. Eine Überlegung könnte sein, weniger graue Energie zu verwenden und alternative Materialien in Betracht zu ziehen, anstatt sich ausschließlich auf Beton, Stahl und Glas zu konzentrieren. Insbesondere in UNESCO-Weltkulturerbe-Städten wie Regensburg sollten alternative Materialien bevorzugt eingesetzt werden.

Inwiefern sehen Sie Ihre Arbeit als Vorbild für andere Museen und Kultureinrichtungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung? 

Durch die Corona-Situation haben wir festgestellt, dass die Außenwände unseres Museums gut isoliert sind, sodass wir die raumlufttechnischen Anlagen über Nacht abschalten können, ohne das Klima zu verändern. Daher möchte ich die Museen ermutigen, ein Langzeitmonitoring zu etablieren, um herauszufinden wie belastbar die Gebäudehülle Raumtemperaturen hält und wie die bauliche Situation diesbezüglich verbessert werden kann, ohne das Klima zu verändern.