Vom Reden ins Tun: Nachhaltigkeit auf PATHOS-Art

Wie wird ein Theater klimafreundlicher? Beim PATHOS theater in München lautet die Antwort: Ausprobieren, lernen, weitermachen. Ob Klimabilanz, Stecker-Solaranlage, Dachbegrünung oder Klimafolgekosten-Ticket – das Team geht neue Wege ohne langes Zögern. Mit flachen Hierarchien, kurzen Entscheidungswegen und viel Offenheit für Neues werden Ideen schnell Realität. Das Besondere: Es funktioniert. Die Emissionen sinken, obwohl das Theater mehr Vorstellungen spielt und mehr Publikum erreicht. Möglich macht das eine Haltung, die Nachhaltigkeit nicht als technische Aufgabe, sondern als gelebte Praxis versteht.

Und was anderswo wie ein Zukunftsmodell klingt, ist hier längst Alltag: Das gesamte Team arbeitet in Teilzeit. Aus Überzeugung. Für mehr Raum im Leben, für Familie, Kunst, Engagement. Nachhaltigkeit heißt am PATHOS eben nicht nur ökologisch, sondern auch sozial. Ein Blick hinter die Kulissen eines Theaters, das einfach macht. Und damit zum Vorbild wird.

„Das Team vom PATHOS theater umarmt seit jeher freudig alles Neue, sodass wir auch hier gesagt haben: Das probieren wir jetzt einfach mal direkt aus.

Dana Pflüger, PATHOS theater

Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich als Theater aktiv mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben und wie hat sich dieser Impuls im Team weiterentwickelt?

Inspiriert durch eine Zoom-Veranstaltungsserie des Netzwerks Freier Theater (NFT) haben wir 2023 angefangen, an einer Klimabilanz zu arbeiten. Glücklicherweise sind wir dabei direkt in die Testphase des neuen, bundesweiten Klimabilanz-Rechners der BKM gerutscht, sodass wir von Anfang an ein gutes Werkzeug dafür an der Hand hatten.

Ebenfalls im Frühjahr 2023 gab es in Süddeutschen Zeitung einen Artikel über einfach zu installierende Stecker-Solaranlagen. Das Team vom PATHOS theater umarmt seit jeher freudig alles Neue, sodass wir auch hier gesagt haben: „Das probieren wir jetzt einfach mal direkt aus.“

Letztlich war dieser Schritt also eine Kombination aus neuem Wissen zur rechten Zeit, günstigen Gelegenheiten und unserer offenen Einstellung gegenüber Neuem.

Wie sind Sie bei der Erstellung Ihrer Klimabilanz vorgegangen? Und gab es dabei Erkenntnisse, die Sie besonders überrascht oder zum Nachdenken gebracht haben?

Wir sind in der Pilotphase des Klimabilanz-Rechners der BKM direkt mit unserer Klimabilanz eingestiegen und haben uns dann entlang der dort genannten Fragen vorgearbeitet. Eine gewisse Hartnäckigkeit gegenüber der Vermieterin, um an die Energie-Verbrauchsdaten zu kommen sowie einiger Einfallsreichtum, um die Mobilitäts-Emissionen der Produktionen und des Publikums in Excel darzustellen, waren dabei definitiv von Vorteil.

Sie konnten Ihre Emissionen reduzieren, obwohl sowohl die Zahl der Vorstellungen als auch die Publikumszahlen deutlich gestiegen sind. Welche Hebel waren dabei besonders wirkungsvoll?

Tatsächlich tappen wir bei der Beantwortung dieser Frage selbst noch ein wenig im Dunkeln. Am wahrscheinlichsten erscheint uns, dass allein die Tatsache, dass wir mit allen Produktionsteams in ausführlichen Nachgesprächen die Emissionen der Produktionen auswerten und den Teams im Anschluss eine Grafik dazu schicken, schon einiges an Awareness bei den Künstlerinnen und Künstlern schafft. Bekräftigt wird diese Vermutung dadurch, dass es für die nächste Klimabilanz, die gerade in Arbeit ist (für 2024) nochmal eine deutliche Reduktion der Emissionen der Produktionen gegeben hat.

Anscheinend ist es schon eine ziemlich wirkungsvolle Maßnahme, eine Sensibilisierung für das Thema zu schaffen und mit den Teams darüber ins Gespräch zu kommen. Diejenigen, die öfter bei uns arbeiten, berichten oft ganz stolz von ihren Emissions-Einsparungen im Vergleich zu vorher. Sie sind froh, dass ihre Anstrengungen wahrgenommen und gewürdigt werden.

Wie entstand die Idee zum Klimafolgekosten-Ticket? Wie reagieren Ihr Publikum und Ihr Umfeld darauf? Welche Überlegungen stecken hinter der konkreten Preisstaffelung?

Nach der Fertigstellung unserer ersten Klimabilanz für das Jahr 2022 haben wir uns (im Frühjahr 2024) gefragt, was wir mit unseren Erkenntnissen machen. Zunächst haben wir in Richtung der sog. „Kompensation“ von Emissionen gedacht, dann beim weiteren Recherchieren aber recht schnell gemerkt, dass es sich dabei um Augenwischerei handelt. Über ein Vergleichsportal der Verbraucherschutzzentrale sind wir dann auf die Klimaschutz+ Stiftung gekommen und haben mit dem Vorstand Kontakt aufgenommen. Sehr bald wurde dann klar, dass das Klimafolgekosten-Ticket für uns eine gute Lösung ist.

Durch unsere kleine Größe und flache Teamstrukturen können wir bei der Einführung von Neuem schnell agieren und deshalb haben wir im Juli 2024 beschlossen, das ab der darauffolgenden Spielzeit im September einfach mal ausprobieren. Die Resonanz beim Publikum ist ausgesprochen gut: Durchschnittlich ein Viertel bis ein Drittel des Publikums kauft ein Klimafolgekosten-Ticket – obwohl das Ganze für die ja auch etwas völlig Neues ist.

Trotz baulicher Einschränkungen konnten Sie Maßnahmen wie die Stecker-Solaranlagen und die Dachbegrünung umsetzen. Was haben Sie dabei gelernt? Gab es Maßnahmen, die sich bisher nicht realisieren ließen?

Tatsächlich haben wir auf die baulichen Gegebenheiten unseres Gebäudes nur sehr wenig Einfluss, weil wir dort nur Mieter sind. Unsere Vermieterin hatte zwar bereits Maßnahmen wie beispielsweise einen Austausch der undichten Fenster und die Installation eine Solaranlage auf dem Dach geplant; allerdings stehen diese Dinge auf deren Dringlichkeitsliste nicht an oberster Stelle, und andere Gebäude auf dem Gelände sind vor uns dran.

Umso praktischer war, dass wir bei unserem Container im Hof niemanden um Erlaubnis für Änderungen fragen müssen. Also haben wir das Dach vom Container in zweifacher Hinsicht nachhaltig genutzt: durch eine Steckersolaranlage und durch eine Dachbegrünung.

Das Learning bei der Steckersolaranlage war eigentlich nur, wie unfassbar einfach es ist, so eine Anlage in Betrieb zu nehmen. So einfach, dass wir direkt ein Jahr später noch eine weitere angebaut haben – an der Hausfassade über der Tür zum Hof.

Auf die Dachbegrünung sind wir im Juli 2024 während eines Besuchs des NFT-Netzwerks bei der UFA-Fabrik in Berlin gestoßen. Dort hat uns Werner Wiartalla, der technische Leiter der UFA-Fabrik, eine Führung über das sehr inspirierende Gelände gegeben. Nachdem eine Person aus unserem Team daraufhin eine Dachbegrünungs-Schulung im Ökodorf Siebenlinden absolviert hatte, hatten wir das Wissen im Haus und konnten im Oktober direkt die erste Begrünung umsetzen. Wieder ein Beispiel für die kurze Zeitspanne zwischen erster Idee und fertiger Umsetzung bei uns: Die Geschwindigkeit und die kurzen Entscheidungswege sind eindeutig unsere Stärke hier am Haus.

Welche Potenziale sehen Sie in der geplanten Entsiegelung des Innenhofs?

Unser schöner Innenhof ist derzeit komplett mit Asphalt bedeckt. Das ist nicht nur schlecht für das Mikroklima im eh schon stark versiegelten Kreativquartier, weil der Boden sich im Sommer stark aufheizt, es ist auch eine verschenkte Gelegenheit, einen wunderschönen Garten mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen. Konkret sollen weite Teile des Asphalts aufgebrochen und bepflanzt werden und nur einige Zufahrtswege versiegelt bleiben; unter anderem, um die Zugänglichkeit für Menschen im Rollstuhl weiterhin angenehm zu gestalten. Die Begrünung der Containerfassaden und auch unseres Gebäudes steht und fällt mit genügend Wurzelraum direkt neben den Wänden – ein weiteres Argument für Entsiegelung.

Mit dem Netzwerk „DAS GRÜNE DACH“ haben Sie eine Plattform für Austausch und Vernetzung zum Thema Nachhaltigkeit in der Kultur geschaffen. Wie haben Sie den Auftakt erlebt – und wie soll es künftig weitergehen?

Der Auftakt im Februar 2025 war für uns ein großer Überraschungserfolg. Wir waren völlig überwältigt vom breiten Interesse der Politik, Verwaltung und unterschiedlichsten Kulturinstitutionen an einer Vernetzung zum Thema Nachhaltigkeit.

Wichtig sind uns bei dem Netzwerk drei Dinge:

  1. Nicht wir als PATHOS theater wollen im Fokus der weiteren Zusammenarbeit stehen, sondern die „Bühne“ für die weiteren Treffen soll je nach Thema von Institution zu Institution wandern und jeweils vor Ort die Nachhaltigkeit stärken – auch, wenn die Koordination der Treffen derzeit bei uns liegt.
  2. Wir möchten alle Kulturinstitutionen in München integrieren und keine Auswahl anhand der Trägerschaft oder der Sparte treffen. Gerade die Diversität der Perspektiven ist ja das wertvolle.
  3. Die Nachhaltigkeits-Beauftragten der Institutionen haben ganz verschiedene fachlichen Hintergründe in ihren Häusern, da gibt es Öffentlichkeitsarbeits-Mitarbeitende, Dramaturginnen und Dramaturgen, Mitarbeitende der Haustechnik, des Controllings oder aus dem zentralen Einkauf, Werkstättenleitungen, Produktionsleitungen, KBB-Mitarbeitende (*Künstlerisches Betriebsbüro), Technik-Meisterinnen und Meister etc., sodass wir auch extrem vielfältige Perspektiven auf das Thema Nachhaltigkeit und auf die hausinternen Abläufe/Abteilungen haben. Diese Vielfalt ist unsere wichtigste Ressource. Wir brauchen zunächst kein Wissen von außen in Form von Vorträgen oder Workshops, sondern machen zunächst einfach das nutzbar, was bei uns an Kompetenzen und Erfahrungen schon vorhanden ist.

Wie gelingt es Ihnen, Nachhaltigkeit – insbesondere soziale Nachhaltigkeit – nicht nur als technische oder organisatorische Aufgabe, sondern als künstlerische und gesellschaftliche Haltung im Theaterbetrieb zu verankern?

Im PATHOS-Team arbeiten wir als einer der ganz wenigen Theaterbetriebe in allen Positionen ausschließlich in Teilzeit – unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben also auch außerhalb unseres Betriebs noch Zeit. Einige von uns sind auch dann wieder künstlerisch tätig, andere in ganz anderen Feldern, sodass wir von den eigenen Kolleginnen und Kollegen immer wieder wertvolle Impulse „von außerhalb“ bekommen können. Das Problem, dass in manchen Theaterhäusern die Mitarbeitenden komplett in den Betrieben verschwinden und von der Außenwelt nicht viel mitkriegen, haben wir daher nicht.

Das Teilzeitprinzip ist dabei auch ein wichtiger Baustein für sozialen Nachhaltigkeit, weil die Menschen so noch Zeit für ihre Familien (es gibt viele Kinder bei uns!) und andere Aktivitäten in ihrem Leben haben.

Was würden Sie anderen Kulturinstitutionen empfehlen, die am Anfang stehen und sich auf den Weg in Richtung nachhaltiger Betrieb machen möchten?

Einfach loslegen! Keine Angst davor haben, dass man nicht die ganze Klimakrise auf einmal lösen kann – das ist einfach nicht realistisch, sonst wäre es wohl schon geschehen. Nicht vergessen, dass nicht alles beim ersten Versuch gleich perfekt sein muss! Eine kleine Veränderung ist besser als gar keine. Einfach den ersten Schritt wagen. Und dann noch einen.